Projekttag "SchleuderDrama" an der Selbertschule / Polizisten und Rettungskräfte mahnen zu Vorsicht im Straßenverkehr
Größer kann ein Kloß im Hals kaum sein: Da sitzen vier Berufsschulklassen, alle Jahrgangsstufe elf. Die Jugendlichen sind zwischen 17 und 20, manchmal 21 Jahre alt. Sie alle sind im Straßenverkehr unterwegs, einige mit Bedacht, andere gedankenlos. Und vorne im MediaMaXX der Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) steht Frank Dingeldey, ein Polizist, der von einem Verkehrsunfall erzählt. Er spricht in der dritten Person Singular, redet von "man", statt von "ich" oder "wir". So weit weg muss er das schieben, was noch immer in seinen Gedanken wabert.
Es ist Projekttag an der ESS, das Präventionsprogramm "SchleuderDrama" steht auf dem Stundenplan. Das ist: Lernen, auf sich selbst aufzupassen. Und auf andere. Bereits zum fünften Mal findet das gleiche Programm an der Schule statt, es ist ein Angebot der Rettungskräfte des Kreises Bergstraße an die Jugendlichen. Der Programmablauf liest sich fast schnöde: Einführung mit einer Präsentation, anschließend Workshops. Die konnten sich die Schüler der drei Berufsfachschulklassen und der Klasse für Fremdsprachensekretariat aussuchen - keiner musste gestern machen, was er nicht wollte. Schulsozialarbeiterin Claudia Schwarz ist da ganz realitätsnah: "Jeder soll sich aussuchen, was ihn interessiert, denn dann arbeiten sie auch mit", sagt sie. Schließlich ist das Thema wichtig: Das Präventionsprogramm ist ausgerichtet auf mehr Sicherheit im Straßenverkehr und mehr Zivilcourage. Vorgestellt werden alle Institutionen, die an der sogenannten Rettungskette beteiligt sind - also alle, die da sind, wenn es zu einem Unfall im Straßenverkehr kommt: Polizei, Feuerwehr, Ärzte und Rettungssanitäter, Notfallseelsorger.
Peter Hoffmann, Jugendkoordinator bei der Polizei Südhessen, tritt ernst auf. Dabei geht es ihm vor allem um eines: "Wie können wir eure Welt sicherer gestalten?", fragt er die Jugendlichen, die im MediaMaXX vor ihm sitzen. Die blicken stumm aus ihren Winterjacken, noch sind sie unsicher, wissen nicht, was auf sie zukommt. Gabriele Polzin, Schulleiterin der ESS, unterstützt "SchleuderDrama" mit voller Kraft, ihre Worte sind überzeugend: "Ihr bekommt heute drei Geschenke", sagt sie, "die Zeit von Experten, deren Wissen und Einblicke in ihr Herz und ihre Seele." Das Programm ist eine Konfrontation mit der Realität: 4802 Unfälle im Kreis Bergstraße im vergangenen Jahr, knapp 1000 Schwerverletzte und acht Tote. "Eine ganze Stuhlreihe hier im MediaMaxx, die fehlt", sagt Hoffmann.
Sozialpädagogin Claudia Schwarz weiß, dass die Achtsamkeit der Jugendlichen geschult werden muss. Sie selbst bleibt während der Workshop-Phase im MediaMaXX zurück, gemeinsam mit den Klassenlehrern - falls einer der Schüler einen Ansprechpartner braucht. Denn alleine der einführende Film mit realistischen Bildern von Verkehrsunfällen - allesamt aufgenommen im Kreis Bergstraße - lässt den Kloß im Hals wachsen.
"Einmal musste jemand seinen Workshop verlassen", sagte Schwarz. Sie wird in den nächsten Tagen erneut mit den Leitern der Projektgruppen zusammentreffen. "Es geht hinterher darum, wie das Thema von den Jugendlichen aufgegriffen wurde und was sie vielleicht erzählt haben." Frank Dingeldey jedenfalls erzählte von einem Unfall in einer Samstagnacht auf der B3 bei Bensheim - ein Feuerwehrmann war damals zusammengebrochen. Er hatte seinen eigenen Wagen gelöscht, mit der bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Leiche seines Sohnes.
Vanessa Dörfler, Lampertheimer Zeitung,
04.12.2019