Bildung Berufliche Schulen fördern mit Begegnungstag das Miteinander von Lehrern und Schülern
Ein Schultag mal ganz anders
Nähmaschinen surrten, Gitarrenklänge und perkussive Effekte ertönten. In einem anderen Klassenzimmer der Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) herrschte angespannte Stille und einen Saal weiter waren Jubelrufe zu hören. Am Dienstag fand in den Beruflichen Schulen der Begegnungstag statt, an dem Lehrer 37 verschiedene Workshops und Exkursionen für die Voll- und Teilzeitschüler anboten.
„Beim Begegnungstag geht es darum, sich schulformübergreifend kennenzulernen und gemeinsam etwas zu tun beziehungsweise zu unternehmen“, erklärte Marita Hopp, die an der Schule für die Pressearbeit zuständig ist. Doch nicht nur in den Räumen der ESS gab es etwas zu erleben, einige Gruppen waren auch in Lampertheim, Worms, Frankfurt und Heidelberg unterwegs, um historische Stätten zu besuchen. Beispielsweise besuchten zwei Gruppen das Lampertheimer Heimatmuseum, das sich in einem Bauerngehöft aus dem Jahre 1737 in der Mitte des alten Ortskerns befindet. Hierbei handelt es sich um eines der ältesten Fachwerkhäuser, das Museum führt der Heimat-, Kultur- und Museumsverein.
Dessen Vorsitzende Margit Karb führte die 35 Besucher – angehende Einzelhandelskaufleute und Mechatroniker sowie ihre Lehrer – durch die Ausstellungsräume, den Anbau und die Außenanlage. „Das Thema war ‚Das bäuerliche Leben in unserer Heimatstadt‘“, erklärte Karb. Und fügte hinzu: „Die Besucher waren sehr interessiert.“ Ob die Wohneinrichtung von anno dazumal, der Schulsaal oder das alte Handwerk – die Ausstellung stieß auf großes Interesse.
In der ESS gab es Workshops, in denen die Teilnehmer ihr Wissen vertiefen oder um Neues erweitern konnten. Auf alle Fälle war Teamarbeit gefragt und die jungen Leute gingen mit Begeisterung ans Werk. „Wir peppen Kleidung auf“, erläuterte Schülerin Laura Gölz. Klassenkameradinnen pflichteten ihr bei: „Die Teile sehen nun stylish aus und das mit einem kleinen Budget.“ Auf einige Oberteile bügelten sie modische Applikationen und Strass-Glitzer-Steine. Dorothea Nägel, Lehrerin im sozialpädagogischen Bereich, trug zwei Nähmaschinen herbei, denn an einigen Kleidungsstücken waren Nähte aufgetrennt, die maschinell repariert werden sollten.
Zeit für Spiele . . .
Stefan Sanders, Pädagoge für Wirtschaftslehre, beaufsichtigte die Station Gesellschaftsspiele. Spiele, die Spaß brachten und Konzentration erforderten. Schüler Thorsten Schmidt schätzt das Brettspiel Monopoly sehr, weil es so lange dauert. Sein Spielpartner war Abdipatah Warsame, Schüler im zweiten Ausbildungsjahr zum Industriekaufmann.
. . . und für Fantasievolles
Stille herrschte im nächsten Klassenzimmer. „Wir beschäftigen uns in Gruppen mit dem fantastischen Rollenspiel ‚Das Schwarze Auge‘, aber nicht im Netz, sondern auf Papier“, verriet die Deutsch- und Englisch-Lehrerin Sandra Oettrich. Die Schüler schlüpften in unterschiedliche Charakter-Rollen, in denen sie so manches Abenteuer zu bestehen hatten. Ein weiterer Raum war zu einer Künstlerwerkstatt umfunktioniert worden. Die Lehrerinnen Anne Eggert und Claudia Schwarz, beide für den Bereich Sozialwesen zuständig, beaufsichtigten das künstlerische Modellieren und Gestalten mit dem Werkstoff Gips, und Lehrerin Lidiya Hofmeister half beim Filzen.
Während Axel Weimann, Lehrer für Elektrotechnik und Mathematik, im Musikzimmer auf seiner Akustikgitarre den Ton angab, waren die Schüler für die Percussion zuständig. „Die Töne werden dazu verwendet, um einen Rhythmus aufzubauen“, erläuterte Weimann. Mit den erlernten Grund-Akkorden konnten die jungen Männer mit dem Spielen loslegen. Nebenan trainierte Lehrer Götz Krämer die Stimmen der Schüler. Gemeinsames Ziel beider Workshops: den Song „Happy“ des US-amerikanischen Sängers Pharrell Williams zu covern.
Rosi Israel, Südhessen Morgen
07.02.2019
700 Schüler beim Begegnungstag an Elisabeth-Selbert-Schule
Weil das Lampertheimer Berufsschulzentrum viele Schulformen bietet, lernen sich die Jugendlichen kaum kennen. Der Begegnungstag soll mit vielfältigen Projekten Abhilfe schaffen.
Gemeinsam dem Geheimnis von Mumien auf die Spur kommen, Achtsamkeit üben, mit Filz umgehen lernen und wissen, wie jeder mit ein wenig Geschick und Hilfe von anderen sein Auto reparieren kann – der Begegnungstag der Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) gab gestern etwa 700 Schülern die Gelegenheit, einander kennenzulernen. Und vielerlei neue Eindrücke zu sammeln: Denn zum ersten Mal fanden viele Projekte außerhalb der Berufsschule statt – von Worms bis Heidelberg waren die jungen Leute mit ihren Lehrern unterwegs.
Neues Onlineportal erleichtert die Wahl
„Viele Schüler und auch viele Kollegen haben für diesen Begegnungstag den Wunsch geäußert, einmal aus der Schule herauszugehen“, sagte Gabriele Polzin, Schulleiterin des Schulzentrums. Sie selbst wäre am liebsten – würde die Arbeit nicht warten – in einem der Kreativkurse, würde Buchzeichen häkeln oder den Einführungskurs in der Kfz-Werkstatt machen. Dann hätte auch sie sich – und das ist die zweite große Neuerung – über „Lanis“ in einen der angebotenen Workshops einwählen können. „Lanis“ ist ein schulisches Onlineportal, bereitgestellt vom hessischen Kultusministerium. Kostenlos können Schulen von der pädagogischen Internetplattform profitieren, Lehr- und Vertretungspläne mit ihr gestalten, den Unterricht digital protokollieren und auch ein „Wahl Tool“ nutzen.
Jeder ESS-Schüler hatte vor dem Begegnungstag einen Zugangscode zu „Lanis“ erhalten und gemeinsam mit einem Lehrer an den schuleigenen PCs zwischen den verschiedenen Mitmach-Angeboten frei wählen können. Ohne Zettelwirtschaft hatte so die Wahl bestens funktioniert. In Zukunft will Gabriele Polzin das Internettool weiter nutzen.
Die Idee zum Begegnungstag war vor zwei Jahren entstanden: Damals gab es eine ganze Projektwoche, Hintergrund war „InteA“, eine Initiative des Kultusministeriums zur Integration von Flüchtlingen. Unter dem Dach der ESS sind viele Schulformen zusammengefasst, von der Fachoberschule bis zur Fachschule für Sozialpädagogik und Maßnahmen der Agentur für Arbeit. Die Schüler lernen sich im Alltag deshalb kaum kennen. Der Begegnungstag soll Abhilfe schaffen. Die Organisation dafür begann bereits im Dezember.
Gestern waren alle Gruppen bis zu sechs Stunden in gemeinsamen Projekten zusammen. Einige fertigten aus Gaffa-Tape, einem Panzerband, Mäppchen oder Portemonnaies, andere Schüler filzten Ostereier. Wieder andere erkundeten den Wormser Dom oder das Technoseum in Mannheim, das Goethehaus in Frankfurt, das Dokumentationszentrum der Sinti und Roma in Heidelberg, ob Spielecafé oder Fotografie – die Angebote waren vielfältig. „Der Ausgangsgedanke ist, dass zusammen gearbeitet wird und das sich die Schüler jahrgangs- und berufsübergreifend treffen können“, erklärte Gabriele Polzin.
Claudia Schwarz und Anne Eggert fertigten mit ihrer Gruppe im Werkraum Gipsmasken: In Bastelumhänge gehüllt, mit dick eingecremten Gesichtern und Watte auf den Augen saßen ihre Schüler auf den Stühlen, legten sich gegenseitig Gipsbinden aufs Gesicht. Getrocknet sollten die Masken schließlich in den Farben ihres jeweiligen Herkunftslandes bemalt werden. „So wollen wir zeigen, dass hier viele Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammenkommen“, sagte Schwarz, die gerade ihrer – notgedrungen – stummen Kollegin eine Binde nach der anderen auftrug. Abschließend sollen die bunten Masken und Hände in Vitrinen ausgestellt werden, in der Nähe des Bistros – optimal für eine kleine Vernissage.
Vanessa Dörfler, Lampertheimer Zeitung,
06.02.2019