BILDUNG Elisabeth-Selbert-Schule erarbeitet mit der Universität Mannheim und MAZEM ein Konzept zur Sprachförderung
V.l.n.r.: Rosemarie Tracy von der Uni Mannheim sowie Gabriele Polzin, Stephanie Schwan und Ayse Saçar von der Elisabeth-Selbert-Schule setzten sich gemeinsam für eine bessere Sprachförderung ein.
Foto: AfP Asel
Jahrzehntelange folgte Sprachförderung dem gleichen, gängigen Schema: Kinder, für welche Deutsch nicht die Muttersprache ist, erfuhren an bestimmten Tagen in der Woche einen Sonderunterricht, um ihre Sprachkompetenzen zu erweitern. In den seltensten Fällen aber trug diese Methode entscheidend zu einer Verbesserung bei, denn Sprache ist kein Fach, das man ad hoc und en bloc, in kleinen Einheiten erlernt, sondern die gesamte Lebenswelt der Schüler umfasst.
Sprachförderung nicht mehr länger isoliert zu betrachten, sondern in den gesamten Schulalltag einzubetten, ist daher das Ansinnen von „Sprache macht stark“. Seit 2011 gibt es das Projekt in der Metropolregion, bei welchem das Mannheimer Zentrum für Empirische Mehrsprachigkeitsforschung (MAZEM) sowie die Universität Mannheim gemeinsam mit Fach- und Grundschulen Konzepte zur frühen sprachlichen Bildung entwickeln. Seit 2013 nimmt auch die Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) an der Modellprojektphase teil. Am Donnerstag wurde die Lampertheimer Berufsfachschule wie elf weitere teilnehmende Schulen aus der Region in der Universität Mannheim mit einer Plakette ausgezeichnet.
Wie man sich das Modell im Konkreten vorstellen kann, bringt Wolfgang Neißling, Schulleiter der am Projekt mitwirkenden Gräfenau-Grundschule aus Ludwigshafen, ziemlich plastisch auf den Punkt: „Wir lehren eigentlich sechs Schulstunden am Tag Deutsch, und machen dabei etwas Mathematik und Sport“, erklärt er. Angesichts des hohen Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund eine Methode mit Zukunft. Versäumten Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen früher zum Beispiel die Mathestunde, um ihren Förderunterricht wahrzunehmen, so empfinden es Schulen mittlerweile als sinnvoller, die Sprachförderung nicht zu entkoppeln, sondern in den gewohnten Unterricht miteinfließen zulassen, zu integrieren. Denn beim Mathematikunterricht beispielsweise wird nicht nur Algebra vermittelt, sondern eben auch Sprache.
„Häufig sagen Lehrer, das ist nicht mein Fach, das ist nicht meine Aufgabe. Aber Sprachförderung geht jeden etwas an“, weiß Rosemarie Tracy. Die Professorin für Linguistik an der Universität Mannheim betreut das Projekt wissenschaftlich. Dieses verfolgt das Ziel, den Zuständigkeitsbereich für Sprachförderung nicht mehr weiter auf einzelnen Schultern ruhen zu lassen, sondern das gesamte Lehrerkollegium, oder im Falle einer Kita, das gesamte Erzieher-Team in die Verantwortung zu nehmen. Dabei erweist sich Sprachförderung nicht als theorieüberladenes Hindernis, sondern als ein Lernfeld, das auch auf spielerische Weise in der Praxis des Alltäglichen vermittelt werden kann. „Sprachförderung ist eine Querschnittsaufgabe, die sich durch den gesamten Alltag einer Kita oder eine Schule zieht“, betont Sabine Endrich, Lehrerin der Weinheimer Helen-Keller-Schule. „Es ist besser, die Dinge im täglichen Umgang zu benennen, dafür braucht es kein Sprachförderheft“, findet auch ESS-Schulleiterin Gabriele Polzin.
Pädagogen müssen für das Lehren von Deutsch als Fremd- beziehungsweise Zweitsprache also sensibilisiert werden. „Bei der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte wird bei uns sprachliche Bildung als zentrales Element verankert“, erklärt Professor Dr. Holger Hopp von MAZEM. Daher bietet das Tandem der Uni Mannheim und MAZEM den teilnehmenden Einrichtungen Fortbildungsveranstaltungen an. „Dabei lernt man die eigene Einstellung zu Sprachen zu reflektieren und man wird sich vieler Dinge bewusst: Wie lernen Kinder eine Sprache, wie verläuft die Sprachentwicklung, welche unterschiedlichen Merkmale gibt es beim Lernen der Muttersprache und einer Fremdsprache?“, zählt Endrich auf. Durch den Austausch innerhalb des Kollegiums werden sich die Lehrer bewusst, dass sie in ihrem Unterricht meist auf die gleichen Probleme stoßen. In Zusammenarbeit mit den Projektförderern erstellen sie dann ein schuleigenes Konzept, das nicht von außen aufoktroyiert wird, sondern der jeweiligen Situation der Einrichtung angepasst ist.
Bei der Elisabeth-Selbert-Schule hatten sich schon vor der Projektteilnahme bestimmte Lernbereiche wie Deutsch, Kinder- und Jugendliteratur und sozialpädagogische Grundlagen mit einer gezielten Sprachförderung befasst. „Das war schon mal eine komfortable Situation. Nun haben wir das Thema aber fächerübergreifend enger verzahnt“, erklärt Stephanie Schwan, Abteilungsleiterin für Sozialwesen und Ernährung. Zudem hat die Berufsfachschule bei der Ausbildung ihrer pädagogischen Kräfte das Thema Sprachförderung vom zweiten ins erste Ausbildungsschuljahr vorgelagert. „Noch vor ihrem ersten Fachpraktikum lernen unsere Studierenden die Grundlagen der Sprachförderung kennen. Wenn sie dann ihr Praktikum in einer Kita machen, wissen sie schon, worauf sie zu achten haben“, sagt ESS-Lehrerin Ayse Saçar. Dass sich im Bereich der Sprachförderung einiges verbessern müsste, bestätigte auch Jörg Dietrich, Schulamtsdirektor des Staatliches Schulamt für den Landkreis Bergstraße und den Odenwaldkreis. „Sprachsensibler Unterricht ist ein wichtiges Thema, und zwar in allen Fächern. Das Feld ist neu, aber notwendig“, so Dietrich.
Marco Partner, Lampertheimer Zeitung,
27.11.2015