Am Mittwoch, 26. Juni erzählt Frau Nazar-Czaplinski von 09:30 Uhr bis 11:00 Uhr im MediaMaxx der Elisabeth-Selbert-Schule Lampertheim über ihre Flucht von Afghanistan nach Deutschland, ihren beruflichen Werdegang und ihre Karriere.
Herr Saemann (Lehrkraft in den InteA[1]-Klassen) und Frau Glück (Lehrkraft in der Höheren Berufsfachschule für Fremdsprachenassistenz) haben diesen Vortrag gemeinsam organisiert. Die Schülerinnen und Schüler entwickelten im Vorfeld einen Fragenkatalog, der für sie interessante Punkte abdeckt.
Im gemeinsamen Dialog berichtet Frau Nazar-Czaplinski von ihrem Leben in Afghanistan als jüngste von sechs Geschwistern. Sie spricht darüber, wie positiv das Leben in Afghanistan vor den 80er Jahren war. Ihre Schwester besuchte die Universität. Es gab keine Burka. Afghanistan befand sich auf dem Weg zu einem modernen und offenen Lebensstil.
Zwischen 1979 und 1989 kam es jedoch durch einen Putsch zum Sturz der Regierung und damit zum militärischen Eingreifen der Sowjetunion in Afghanistan. Dadurch verschlechterte sich das komplette Leben. So war es Mädchen untersagt, in die Schule zu gehen oder zu reisen. Sie benötigten für die kleinsten Anliegen, die Einverständniserklärung des Vaters oder Bruders. Auf den Straßen kam es zu Schießereien. Man wurde abgehört und verfolgt. Cousinen von Frau Nazar-Czaplinski wurden vor der eigenen Haustür erschossen. Es herrschte das pure Chaos.
Der Vater von Frau Nazar-Czaplinski arbeitete damals bei einer Airline und hatte auf diesem Weg die Möglichkeit, seine komplette Familie von Kabul nach Deutschland zu bringen. Es war eine waghalsige Aktion und sie sind alle sehr froh, überlebt zu haben. Frau Nazar-Czaplinski war 10 Jahre alt bei der Flucht.
In Deutschland angekommen lebten sie in verschiedenen Asylantenheimen bis ihr Asylantrag genehmigt wurde. Dann erhielten sie in Bensheim eine Sozialwohnung. Frau Nazar-Czaplinski berichtet, dass es aufgrund der nicht vorhandenen Sprachkenntnisse sehr schwierig war, in Deutschland integriert zu werden. „Sprache ist der Knackpunkt. Ohne Sprache keine Integration.“
Nachdem sie die Sprache beherrschte, absolvierte sie die Mittlere Reife und schließt die Ausbildung als Damenschneiderin sowie die Fachhochschulreife in Textiltechnik erfolgreich ab.
Fasziniert hatte sie aber immer schon der Sport. So nahm sie an zwei 100-km-Läufen teil, was sie in ihrer Leidenschaft bestärkte. Nach und nach erwarb sie verschiedene Zertifikate an der Trainerakademie (Personaltrainerin, Rückenschultrainerin, Ernährungsberaterin u. a.). Schließlich spezialisierte sie sich als EMS-Trainerin und eröffnete in Bensheim ihr eigenes Fitnessstudio für Frauen.
In Dubai wurden damals genau solche Trainerinnen und Trainer gesucht, die die EMS-Ausbildung in Dubai implementieren. So kam Frau Nazar-Czaplinski nach Dubai, wo sie 10 Jahre lebte. Heute wohnt sie in Frankfurt am Main und ist Geschäftsführerin von myostyle GmbH (Fitnessbranche).
Wichtig ist ihr, die anwesenden Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich in Deutschland zu integrieren und die Chancenvielfalt für sich zu nutzen. Durch ihre muttersprachliche Kompetenz findet sie einen guten Zugang zu der Schülerschaft und spricht die afghanischen Schülerinnen und Schüler auf Farsi an. Die Schülerinnen und Schüler sind beeindruckt von ihrem Lebensweg und ihrem beruflichen Erfolg.
[1] InteA (Integration und Anschluss)
Die Schülerinnen und Schüler kommen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Türkei, Ukraine, Moldawien usw.)
Foto: Horst Saemann
Text: Jutta Eschelbach