Zeichen gegen Krieg und Gewalt

ELISABETH-SELBERT-SCHULE Flüchtlingsklassen stellen ihre Aktion „Trauer und Hoffnung“ vor

Zwar stören sich die jungen Leute ebenfalls daran, wenn in der westlichen Welt ihr Prophet Mohammed von Karikaturisten verspottet wird. Jedoch vertreten die Flüchtlinge, die momentan an der Lampertheimer Elisabeth-Selbert-Berufsschule (ESS) einen Haupt- und Realschulabschluss anstreben, die Meinung, verletzte religiöse Gefühle rechtfertigen keinen Mord.

„Unsere Schüler waren erschrocken über die Ereignisse in Freiburg und Berlin“, schilderte Deutschlehrerin Edeltraud Schiertz. Ihre Schützlinge distanzieren sich von gewaltbereiten Landsleuten und bringen klar zum Ausdruck: „Wir machen so etwas nicht!“ Um dieses pazifistische Statement zu verdeutlichen, präsentierten die Flüchtlinge im Innenhof, der mit weißen Teelichtern dekoriert war, selbst gestaltete Plakate.

„Wir haben uns im Unterricht damit auseinandergesetzt, auch mit den Anschlägen auf Charlie Hebdo“, erzählte Lehrerin Edeltraud Schiertz, die seit dem vergangenen Sommer an der Berufsschule unterrichtet und auf deren Initiative hin vormittags die Aktion „Trauer und Hoffnung“ der Flüchtlingsklassen, die den bürokratischen Namen „InteA“ tragen, im Innenhof stattfand. Mit dieser Völker verbindenden Aktion möchten die Schülerinnen und Schüler ein Zeichen gegen Krieg und Gewalt setzen. Und für Toleranz werben. Deshalb bildeten ihre farbenfrohen Plakate durchgestrichene Maschinengewehre und eine aus einem geöffneten Käfig davonflatternde Taube mit der Überschrift „Freiheit“ ab. Ein anderes Plakat, versehen mit türkischem Halbmond, christlichem Kreuz und jüdischem Davidstern, trug den friedliebenden Satz „Wir sind alle Schwestern und Brüder“.

Oftmals liegen hinter diesen Schülern traumatische Monate. Manche von den Flüchtlingen, die an der Selbert-Berufsschule innerhalb von zwei Jahren einen Abschluss ablegen wollen, mussten von ihrer Heimat aus unter Entbehrungen zwölf verschiedene Länder durchreisen, bis die noch im geistigen Wachstum befindlichen Menschen endlich in Deutschland eine rettende Aufnahme erfuhren. Im überwiegenden Ausland seien viele der Flüchtlinge, wie Deutschlehrerin Schiertz berichtete, unerwünscht gewesen.

Kulturschock im Klassenzimmer

„Wir möchten den Flüchtlingen unsere Kultur beibringen: Wer war Martin Luther? Welche deutschen Feiertage gibt es? Was ist Weihnachten und Fastnacht?“, erläuterte Schiertz.

Dennoch gerate der Schulunterricht mit den Neuankömmlingen gelegentlich schwierig. Zum Beispiel sei es für viele Schutzsuchende anfangs nicht einfach gewesen, eine weibliche Klassenlehrerin an der Tafel zu haben. „Für die war das ein Kulturschock“, erinnerte sich Pädagogin Schiertz. Als Lehrbeauftragte müsse man in solchen Situationen viel Geduld, Verständnis und Einfühlung aufbringen. Um mit guten Argumenten festgefahrene Überzeugungen in Frage stellen und frauenfeindliche Weltbilder korrigieren.

„Am Anfang konnten die Flüchtlinge gar kein Deutsch, nur ein paar Worte“, erklärte Lehrerin Safari Gökyildiz, die als gebürtige Pfälzerin selbst türkische Wurzeln besitzt. Ein besonders erfolgreicher Schüler der Flüchtlingsklassen wechselt demnächst ans Bensheimer Geschwister-Scholl-Gymnasium.

Christian Hoffmann, Lampertheimer Zeitung,

20.01.2017

Aktion InteA 01 2017Bekennen sich klar zu Frieden und Freiheit: Die InteA-Klassen der Elisabeth-Selbert-Schule. Foto: Benjamin Kloos„Wir wollen keinen Krieg und keine Gewalt“

InteA-Klassen der Elisabeth-Selbert-Schule bekennen sich mit sichtbarem Zeichen zu Frieden und Freiheit

Ein klares Bekenntnis zu Frieden, Freiheit und Toleranz sowie gegen Krieg, Gewalt und Intoleranz setzten die Schüler aller InteA-Klassen der Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) am Donnerstag: Kerzen leuchteten in Herzform und bildeten den Schriftzug „Keine Gewalt — Frieden”, während die Schüler selbst gestaltete Plakate mit ihren Wünschen nach Freiheit und dem Ende von Krieg und Gewalt in die Höhe reckten. „Wir sind alle Brüder und Schwestern“ war die eindeutige Botschaft. 

Hintergrund waren die jüngsten Ereignisse zunächst in Freiburg und später in Berlin, aber auch in Istanbul an Silvester sowie in Afghanistan und Syrien. Diese hätten die Schüler betroffen gemacht und wachgerüttelt, betonte Edeltraud Seitz, Lehrerin der ESS. „Wir wollen ein Zeichen setzen”, waren sich die Schüler einig. „Wir wollen friedlich mit allen Menschen zusammenleben, egal welche Hautfarbe sie haben oder welcher Religion sie angehören. Wir trauern um die Opfer, aber geben die Hoffnung auf Frieden nicht auf.”

Im Unterricht hatten die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern über die Ereignisse diskutiert und sich klar positioniert: „Gewalt gegen andere oder gar das Töten von Menschen ist für alle keine Lösung, sondern zu verurteilen.” Sachliche Kritik und die freie Meinungsäußerung seien jedoch wichtig, und so haben viele muslimische Schüler in Bezug auf die Geschehnisse bei Charlie Hebdo in Paris ebenfalls eine klare Meinung: Die Tat sei verabscheuungswürdig und in kleinster Art und Weise akzeptabel, allerdings sei die Karikatur von Mohammed für viele ein Problem, da sie ein Eingriff  in das muslimische Religionsverständnis bedeute. Solche Differenzen seien aber durch gegenseitiges Kennenlernen und dem Respekt vor den unterschiedlichen Kulturen friedlich und ohne Gewalt zu lösen.

„Das Herz ist das Zeichen der Liebe, die uns miteinander verbindet, die alle Wunden heilt und das Böse überwindet. Wir wollen nicht, dass Menschen sterben”, lautet die Botschaft, welche die Schüler und ihre Lehrer an alle Menschen im Nibelungenland und in der ganzen Welt mit auf den Weg geben möchten.

Benjamin Kloos, TiP-Verlag,

19.01.2017

„Wir sind alle Brüder und Schwestern“

Elisabeth-Selbert-Schule: Aktion für mehr gegenseitigen Respekt zwischen Einheimischen und Flüchtlingen

Erst geschah der Mord an einer Studentin in Freiburg durch einen afghanischen Flüchtling, dann ereignete sich der Terroranschlag in Berlin. Diese Ereignisse berühren offenbar auch die hier lebenden Flüchtlinge. Sie befürchten etwa eine Stigmatisierung.

Mohamed Mohensi ist Flüchtling aus dem Irak und Schüler an der Lampertheimer Elisabeth-Selbert-Schule. Man müsse selbst ein Zeichen gegen den Terror setzen und Solidarität mit den Opfern zeigen, so Mohensi und animierte seine Mitschüler zu einer Protestaktion im Schulhof. Mit Hilfe der Lehrer wurden Plakate gefertigt, die Themen diskutiert und Lösungen erarbeitet.

Im Schulhof hatte man Kerzen in Herzform aufgestellt und sich mit den Plakaten davor versammelt. "Wir sind alle Brüder und Schwestern", konnte man lesen. Ein anderes Plakat zeigte, wie eine Taube aus einem Käfig fliegt: Sinnbild für die Sehnsucht nach Freiheit und Frieden. Toleranz der Religionsgemeinschaften oder die Ablehnung aller kriegerischen Handlungen waren weitere Themen, die von den Schülern versinnbildlicht wurden.

Edeltraud Schiertz, Lehrerin in einer der "InteA"-Klassen, erläuterte im Gespräch die Hintergründe der Aktion. "InteA" steht als Abkürzung für Integration und Abschluss und ist ein Projekt des Kultusministeriums, um junge Flüchtlingen zu integrieren. Dabei steht die Sprache im Vordergrund, aber auch auf ein Diplom oder Hauptschulabschluss wird hingearbeitet. Das Nahebringen der Kultur des Gastlandes, des geschichtlichen oder religiösen Hintergrunds der Feiertage oder des Frauenbildes sind weitere Schwerpunktthemen. "Natürlich ist es für vor allem für die jungen Männer schwer, plötzlich zu erfahren, dass Frauen in unserer Kultur gleichberechtigt im öffentlichen Leben stehen", sagte Edeltraud Schiertz.

Höflicher Umgang

Vor der Klasse stünden überwiegend Frauen, denen sich die Schüler unterordnen müssten. Eine Tatsache, die Männer aus anderen Kulturkreisen erst vergegenwärtigen müssten. Gleichzeitig lobte Schiertz den höflichen Umgang miteinander. Den Lehrerinnen werde durchaus Achtung entgegengebracht. Eine Erfahrung, die Pädagogen bei Heranwachsenden inzwischen allgemein vermissten.

Vier Integrationsklassen mit je 25 Schülern gibt es an der Schule, wobei eine Klasse vor zwei Jahren begann und drei Klassen neu gestartet sind. Praktika oder Ausbildungsangebote werden von der Schule vermittelt, wobei auch der Besuch bei potenziellen Firmen dazu gehört.

Dieter Stojan, Südhessen Morgen,

21.01.2017